[Blogbeitrag] Sharing is caring! Es verspricht Nachhaltigkeit und Nutzen für den Verbraucher zugleich. In Wohnprojekten sollen Gemeinschaftsräume diese Hoffnung erfüllen. Doch für die erfolgreiche Umsetzung der guten Idee sind einige Regeln zu beachten.
Gemeinschaftsräume! Sie sollen die Antwort sein auf die Frage, wie der über die letzten Jahrzehnte ständig gestiegene Wohnflächenverbrauch pro Person wieder reduziert werden könnte. Doch wer sollte warum etwas an seinem Wohnverhalten verändern? Es geht uns doch sehr gut. Wir leben im Durchschnitt auf über 45 Quadratmeter Wohnfläche pro Person, können in diesen Räumen schalten und walten, wie wir wollen. Höchstens die enormen Mieten stören daran, aber die eigenen Wände sind uns heilig. Für die der deutsche Durchschnittshaushalt mehr als ein Drittel seiner zur Verfügung stehenden Mittel ausgibt (Statistisches Bundesamt 2014). Die wenigen, informierten Nachhaltigkeits-Grübler wissen zwar, dass Klimaschutzziele nicht nur mit tollen und zu großen Nullenergiehäusern erreicht werden. Doch ist für die meisten Bewohner dieser Widerspruch ein bisher sehr gut aushaltbares und durchaus akzeptiertes Phänomen.
Gemeinschaftsfläche könnte, das ist die Idee, das zu nutzende (Raum-)Angebot erweitern, sodass die Bewohner dadurch auf sonst privat vorgehaltene und finanzierte Flächen verzichten könnten. Die vielen Vorteile von gemeinsam genutzten Räumen wären vielfältig:
- Miteinander, Kommunikation, Austausch der Bewohner untereinander
- Zugang zu mehr gut ausgestatteten Räumen (die man sich privat nicht leisten könnte)
Auf diese Weise können sonst vorgehaltene Flächen reduzieren, würde in Summe weniger Wohnfläche in Anspruch nehmen und unter Umstände sogar Geld sparen. Alle wären Gewinner, einschließlich des Klimas.
Sollen die WG-Erfahrungen von früher wiederholt werden?
Gemeinschaft klingt gut und erinnert viele Leser an die Zeiten in den WGs, die damals lustig und günstig waren? Doch, ehrlich gesagt, waren die meisten von uns auch ebenso froh, irgendwann die Zeit der vollgemüllten Spülen, der dreckig hinterlassenen Bäder, der nervigen Dauerbesucher von Mitbewohnern hinter sich zu lassen.
Daher gilt sorgsam zu prüfen, wann die Verheißungen von Gemeinschaftsräumen in Erfüllung gehen können.
Passt Gemeinschaft in unsere Gesellschaft?
Gemeinschaftsräume können das Miteinander, die Kommunikation untereinander beleben, können das Herz von Wohnanlagen sein. In vielen Projekten zum gemeinschaftlichen Wohnen werden in den Gruppen eine Vielzahl von Räumen zur gemeinsamen Nutzung diskutiert: Mehrzweckräume mit Küche zum Feiern, Gästezimmer, Sauna mit Fitness oder Arbeitsplätze gehören zum Standard, darüber hinaus plant man oft noch Spiel- oder Musikzimmer und gemeinsame Werkstätten. Im Laufe der konkreten Umsetzung von solch engagierten Konzepten werden jedoch die Flächen für die Gruppe immer weiter reduziert. Aus Kostengründen, denn im Zweifel spart man lieber an Gemeinschaftsräumen, anstatt an Menge oder Standard der Privatsphäre. Dabei ist ein von vielen genutzter Quadratmeter auf alle verteilt viel günstiger als der in der abgeschlossenen Wohnung.
Unsicherheit, Fehler in bisherigen Gemeinschaftsraumprojekten wie auch unser kultureller Hintergrund machen es vielen Menschen schwer, sich im Privaten zu verkleinern und auf die Gemeinschaft zu vertrauen. Ausgehend von der lateinischen Übersetzung des Wortes privare, nämlich berauben, kommt Niklas Maak in seinem Buch „Wohnkomplex“ zum Schluss, dass das Private einem kollektiven Ganzen entrissen und fortwährend gegen die Zudringlichkeit der Anderen verteidigt werden muss. Dabei handelt es sich um einen Akt des Verschließens, Gemeinschaft erfordert jedoch die Öffnung (Niklas Maak, Wohnkomplex, 2014).
Es müssen also tief verwurzelte Berührungsängste überwunden werden. Sorgen müssen im Vorfeld ausgeräumt werden und Planung wie auch Nutzung von Gemeinschaftsräumen muss sorgfältig vonstattengehen.
Entscheidend über die Annahme von Gemeinschaftsflächen ist der Nutzen, die sie den Bewohnern eines Hauses, Quartiers bringen. Sowohl sozialer wie auch wirtschaftliche Art. Gemeinschaftsflächen ohne wirklichen Nutzen droht immer die baldige Umnutzung.
Regeln für erfolgreiche Gemeinschaft
Unter welchen Voraussetzungen können Gemeinschaftsräume Wohnanlagen in vielfacher Hinsicht bereichern?
- Gemeinschaftliche Entscheidungen
Planung und Betrieb von Gemeinschaftsflächen bedarf einer frühzeitigen und sorgfältigen Konzeption – von allen Beteiligten. - Planungssicherheit für die Nutzer
Die Bewohner müssen frühzeitig sicher sein, welche Gemeinschaftsangebote für sie sicher, komfortabel, wirtschaftlich erreichbar sein werden. Erst dann können die Nutzer auf das Reduzieren von eigenen Funktionsflächen verzichten und eigene Individualfläche verkleinern. - Gemeinschaft muss freiwillig sein
Projekte, in denen man nicht die Wahl hat, etwa alleine zu kochen und den Abend mit sich oder auch in kleiner Gruppe zu verbringen, werden nicht für größere Bevölkerungsgruppe in Frage kommen. Sobald jedoch Gemeinschaft freiwillig ist, wird sie häufiger genutzt. Wenn aber klar ist, dass es (Raum-)Angebote auch für größere Gruppen gibt, kann die private Küche kleiner gehalten werden.
Niklas Maak schreibt dazu, dass „jede Zelle einen wie auch immer kleine Garten (braucht), in dem man ungestört in der Hängematte liegen kann; einen Ort, an dem man ungesehen kochen kann (…). Unverzichtbar ist außerdem die Möglichkeit, ungesehen von anderen Mitgliedern des Kollektivs die Wohnzelle zu verlassen.“ - Attraktive Lage
Mit der Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen müssen Nutzen verbunden sein. Es hat sich bewährt, die besten Lagen im Gebäude nicht zu verkaufen, sondern hier das Angebot für Alle zu platzieren. - Hochwertige Ausstattung
Je besser die Ausstattung, desto öfter die Nutzung. Wenn zum Beispiel die beste Cafémaschine im Gemeinschaftsraum steht, wird diese zum Attraktor und zum Treffpunkt im Projekt. - Regeln für die Benutzung
Solange verbindlich und eindeutig geregelt ist, wer welche Aufgaben übernimmt, welche Pflichten und Rechte bestehen, ist das Konfliktpotenzial deutlich gemindert. - Tragfähiges Betriebsmodell
Nutzung wie auch Bereitstellung von Räumen und Ausstattung sollten in einem ausgewogenen Verhältnis kosten, damit die Einrichtungen möglichst gut ausgenutzt werden.
Dann kann Gemeinschaft gelingen und den Nutzern wie auch der Umwelt dienen.
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