Antworten
Kommentare 1

Suffizienz im Nurstromhaus

Visualisierung K76_Sued-West-Ansicht

[Blogbeitrag] Stromheizungen waren noch vor wenigen Jahren verpönt. Eine nachhaltig orientierte Wohnbaugenossenschaft realisiert jetzt ein Nurstromhaus. Kann Strom vielleicht doch ein nachhaltiger Energieträger sein?

Die Wohngenossenschaft K76 baut in Darmstadt zurzeit in Wohnhaus mit 13 Wohneinheiten. Mit diesem Projekt wird auch das Ziel verfolgt, Formen zum nachhaltig-suffizienten Wohnen zu realisieren. Die Absicht findet Niederschlag nicht nur in der Gesellschaftsform der Genossenschaft, sondern ebenso in verschiedenen (und an anderer Stelle zu vertiefenden) Aspekten wie den einfach zu verändernden Grundrissen, einem umfassenden Angebot von gemeinschaftlich zu nutzenden Flächen. Diese sind mittlerweile für sogenannte Wohnprojekte fast schon üblich.

Das Nurstromhaus erregt Aufsehen

Aufsehen aber erregt das Projekt mit einer bisher ungewöhnlichen Entscheidung. Die noch notwendige Heizenergie wird ausschließlich mit Strom bereitgestellt. Da dann auch konsequenterweise Warmwasser mit Durchlauferhitzern erzeugt wird, hat das Vorhaben schon vor der Fertigstellung als sogenanntes Nurstromhaus Aufmerksamkeit in der Presse erregt.

Das Haus hat zeitgemäß einen sehr geringen Heizenergiebedarf von 17 kWh/m2a. Doch mit welchem Energieträger wird eine solch geringe Restwärme sinnvollerweise erzeugt und wie im Haus verteilt?

Die Antwort ist natürlich nicht eindimensional. Ob die Entscheidung für die Stromheizung „richtig“ in sowohl ökonomischer wie auch nachhaltiger Hinsicht war, wird sich in einigen Jahren herausstellen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Faktoren wie:

  • Entwicklung auf dem Strommarkt,
  • Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien,
  • Entwicklung von ökonomischen Konzepten zur Speicherung von Strom,
  • (wesentlicher, aber oft vernachlässigter Aspekt:) Benutzerverhalten.

Zwei Optionen für Heizung und Warmwasser

Grundsätzlich bieten sich zwei Strategien für eine moderne Wärmeversorgung an. Entweder man richtet eine zentrale Versorgung des Hauses mit Wärme und Erwärmung von Verbrauchswasser ein. Dabei entsteht ein hoher finanzieller Aufwand für eine heutzutage oft eingesetzte zentrale Wärmepumpe oder eine Pelletheizung mit jeweils großem Wärmespeicher, ergänzt mit Solarthermie und entsprechender Verteilung über Zirkulationsleitungen in die Wohnungen. Der technische Aufwand führt zu hohen Anfangsinvestitionen, hohen Wartungskosten und Leitungsverlusten von bis zu 40 Prozent. Damit entstehen für den Verbraucher hohe Sockelkosten, zugleich sind die Verbrauchskosten am Ende der Betrachtung vergleichsweise gering.

Eine alternative Bereitstellung von Wärme und Warmwasser ist dezentral, mit Infrarot-Stromheizung und Durchlauferhitzer. Die Kosten für die Installation sind gering, der Aufwand für Wartung minimal, Leitungsverluste fallen durch Nichtvorhandensein aus. Die eingesparten Installationskosten werden für eine 300 Quadratmeter große Photovoltaik(PV)-Anlage investiert. Ein Kellerraum für den Einsatz von Batterien ist eingeplant, um den Anteil des selbst zu nutzenden Stroms der PV zu erhöhen. Und doch: die verbrauchsabhängigen Kosten werden aufgrund des oft zuzukaufenden Stroms höher sein als bei der zentralen Anlage.

In einer rein ökonomischen Betrachtung sind die Mehrinvestitionen und -kosten für die zentrale Anlage mit den Wartungsaufwänden und Leitungsverlusten einfach in das Verhältnis zu den höheren Verbrauchskosten zu setzen. Je mehr Energie verbraucht wird, desto eher lohnt die Investition in die aufwändigere Technik.

Vernachlässigter Faktor: Benutzerverhalten

Wie viel Energie jedoch verbraucht wird, hängt nicht nur vom Gebäude ab, sondern auch ganz wesentlich vom Benutzer. Diese wesentliche Dimension ist bisher nur wenig im Fokus der Nachhaltigkeitsdiskussion. Sie birgt ein enormes Einsparpotenzial von Ressourcen, welches genutzt werden kann, wenn folgende Voraussetzungen für das Heizsystem erfüllt sind:

  1. Der Bewohner muss direkt Einfluss nehmen können, das System muss einfach zu steuern sein.
  2. Das Heizsystem muss schnell auf die Steuerung des Nutzers reagieren – sowohl Raumtemperatur erhöhend wie senkend.
  3. Je besser man ablesen kann, wie viel kWh weniger oder mehr verbraucht wurden und werden, desto bereitwilliger wird man die Anlage steuern.
  4. Ein hoher Preis für den tatsächlichen Verbrauch wird zum Sparen motivieren, wird den Verbrauch bewusster werden lassen.

Nach den Kriterien der wissenschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskussion kann man die beiden Alternativen auch unterscheiden in ein eher effizientes Heizsystem (technischer Aufwand für das Einsparen von Energie) und ein stärker suffizientes Heizsystem (mit mehr Verantwortung beim Nutzer).

Vor diesem Hintergrund einer Diskussion fiel den Initiatoren die Entscheidung für die dezentrale Stromheizung mit höheren kWh-Verbrauchs-Kosten leicht. Denn bei der hochinvestiven Lösung kauft man fast eine Energieflatrate. Ob 20 Grad oder 23 Grad Raumtemperatur spielt keine wesentliche Rolle. Ob die Heizung aktiv gesteuert wird oder nicht, ist auch nicht von so großer Bedeutung wie bei der Stromheizung. Es handelt sich dabei um Investitionen in Effizienz und diese haben in der Regel einen Reboundeffekt zur Folge. Die günstige und nachhaltigere Wärme wird mehr verbraucht.

Quelle:
www.k-76.de


1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert