Diskussionen
Kommentare 1

Suffizienz findet nicht statt: EnEV und KfW

[Blogbeitrag] Der Bund könnte Suffizienz im Bauen fördern. Tut er es?
Zwei potentielle staatliche Steuerungsmöglichkeiten auf dem Suffizienz-Prüfstand.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Fortschritte in Effizienzaspekten und der Ausbau der regenerativen Energieversorgung bisher nicht zu den erhofften Einsparungen im Ganzen geführt haben. Ein öffentlicher Diskurs über das Erfordernis von Suffizienz (im Bauen) wird bisher kaum geführt, zugleich wird hinter vorgehaltener Hand kaum noch Jemand die Notwendigkeit bestreiten.

Das große Potential eines maßvollen Verbrauchs wird nicht ausschließlich durch die wenigen bewussten Konsumenten zu heben sein. Es müssen Verbrauchs-Begrenzungen definiert und zugleich Förderungen mit Anreizen zum Weniger geschaffen werden. Und wer könnte eine Entwicklung in diese Richtung besser auslösen als die beiden gängigen Instrumente des Staates: die Forderungsseite der Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) und die Förderung durch die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)?

EnEV fordert keine Suffizienz

Über die verbindlich geltende und einzuhaltende Energieeinsparverordnung (EnEV) als Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden werden Mindeststandards zum effizienten Betrieb möglichst in Verbindung mit einer regenerativen Energieversorgung von Gebäuden vorgeschrieben. Diese Verordnung wird auch noch in regelmäßigen Abständen entsprechend des technischen Fortschritts verschärft, sodass in gar nicht so ferner Zukunft als Neubauten nur noch sogenannte Niedrigstenergiegebäude genehmigt werden. Diese Regelung senkt in der Tat den Verbrauch in Gebäuden und reduziert den CO2-Ausstoß. Doch nur in relativem Bezug auf die Fläche (kWh/m²a). Da aber der absolute Energiebedarf hinsichtlich des Wohnflächenbedarfs pro Kopf (kWh/pro Kopf) in den letzten Jahren gestiegen ist und vermutlich auch weiter steigen wird, ist die Einsparung viel geringer als sie sein könnte und müsste.

KfW fördert keine Suffizienz

An dem gleichen Problem krankt die Unterstützung der weltweit größten nationalen Förderbank, der KfW. Energieeffizient Bauen und Sanieren sowie die Umstellung auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien wird mit äußerst günstigen Krediten belohnt. Die von der Bank geförderten Maßnahmen führen – laut eigenen Angaben – zu einer Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um viele hundert Millionen Tonnen. Eine sehr theoretische Rechnung, die jedoch nicht berücksichtigt, dass durch den Rebound-Effekt die Nutzer überhaupt neu bauen, dass zusätzlich und größer bauen können und im Ergebnis die Einsparungen nicht im Verhältnis zum finanziellen Aufwand stehen.

Staat gegen Suffizienz?

Eine in der Öffentlichkeit viel beachtete 400 Quadratmeter-Passivhaus-Villa passiert die Anforderungen der EnEV ohne Angabe, wie viele Menschen das Haus bewohnen. Das Gebäude erfährt eine bessere (energetische) Bewertung als der 1970er-Jahre-Bau aus dem geförderten Wohnungsbau, in welchem Hartz IV-Empfänger dicht an dicht leben. Der Staat fordert und fördert personenunabhängig und konterkariert somit Suffizienz-Notwendigkeiten.

Gemessen an den eigentlichen und hehren Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung wird offensichtlich, dass bisher das Weniger weder im Blickfeld der Forderungen noch als Wunschentwicklung gefördert wird. Da stellt sich die Frage, ob es nur an Ideen mangelt, wie Suffizienz verordnet werden kann oder ob sie vielleicht nicht gewollt ist? Dabei muss man sich vergegenwärtigen, dass die jetzt gebauten und vielmals geförderten Immobilien die nächsten 30 Jahre nicht mehr verändert und im Sinne der Nachhaltigkeit verbessert werden. Dann schreiben wir schon das Jahr 2046, kurz bevor die angestrebte 80-prozentige CO2-Einsparung in Deutschland erreicht sein soll.

Suffizienz durch staatliche Rahmen

In welche Richtung müssen also EnEV und KfW-Förderkredite weiterentwickelt werden, wenn Nachhaltigkeit wirklich das Ziel ist?

  1. Verordnungen und Belohnungen müssen sich (auch) auf Personen beziehen. Die gedankliche und rechnerische Bezugsebene für Ressourcenverbrauch, die Fläche, lässt effiziente Immobilien als nachhaltig erscheinen – unabhängig von der Anzahl der Nutzer. Daher muss ein Bezug des Verbrauches zur Anzahl der Nutzer geschaffen werden.
    Auf Projektebene gibt es bereits Wohnmodelle, die die durchschnittliche Wohnfläche pro Person begrenzen. Auf Wohnflächenmehrverbräuche wird dann mit höheren Quadratmetermieten reagiert. Übertragen auf eine gesellschaftliche Ebene könnte (nur mal laut gedacht) ein Instrument wie eine Wohnflächenverbrauchssteuer helfen, ein Bewusstsein für Maßhaltigkeit zu schaffen.
  2. Leistungsphase Null etablieren. Vor dem eigentlichen Planungsprozess ist die Einflussmöglichkeit auf Bauprojekte am allerhöchsten. Nämlich dann, wenn man die Aufgabe in Qualität und Quantität in Frage stellen kann. Oft kann durch Optimierung von Strukturen, Anforderungen, Raumprogrammen ein Weniger gebaut werden. Da eine solche Beratung, dem eigentlichen Honorar-Interesse eines Architekten, viel zu bauen, diametral gegenübersteht, ist die HOAI anzupassen. Zudem könnte eine Suffizienzberatung – ähnlich einer Energieberatung – gefördert werden.
  3. Graue Energien müssen berücksichtigt werden, denn Effizienz hat auch seinen (Ressourcen-)Preis. Hochgedämmte, besonders energiesparende Gebäude weisen in Lebenszyklusbetrachtungen schon mehr Energie für die Erstellung als für den durchschnittlichen Betrieb auf. Da in den letzten Jahren der planerische Fokus erfolgreich auf einer Senkung der Verbrauchsenergie lag, sind die weiterhin notwendigen Sparpotenziale in Bauerstellungsmaterial zu finden.

Der Umstand, dass sich in Deutschland der Klimaschutz überwiegend an Objekten gemessen wird (nicht nur Verbrauch-pro-Quadratmeter, sondern auch Flottenverbrauch für PKW-Hersteller) verschleiert den Blick auf Gesamtverbräuche oder Personenverbräuche. Vermutlich ist es auch kein Zufall, dass das oben erwähnte Wohnmodell mit begrenzten Wohnflächen pro Person in der Schweiz gelebt wird. Denn unsere Nachbarn streben an und bewerten ihre Fortschritte in Nachhaltigkeit an dem Ziel der 2.000-Watt-Gesellschaft, eine energiepolitische Vision, nach der der Energiebedarf pro Individuum einer durchschnittlichen Leistung von 2.000 Watt entsprechen darf. Nach dem Modell sind dann auch die in Anspruch genommenen Wohnflächen relevant.

Die politischen Instrumente sollten als nicht nur saniert, sondern grundsätzlich generalüberholt werden. Dann könnte gerade die KfW in ihrer oft schon gelebten Trendsetterrolle mit neuen Bewertungskriterien wichtige Impulse für das Denken und Handeln in Sachen Nachhaltigkeit in Deutschland setzen.

Quelle:
EnEV bei Wikipedia
KfW-Förderkredite


1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert